Theobald Christ im Frankfurter Personenlexikon

Christ, Theobald
Stifter des ersten Kinderkrankenhauses in Ffm.

Christ, Johann Theobald. Dr. med. Praktischer Arzt und Geburtshelfer. Stifter. * 25.5.1777 Ffm., † 11.8.1841 Ffm.

Sohn von Johann Balthasar C., der zum Zeitpunkt der Geburt des Sohnes Vorsängeradjunkt an der Barfüßerkirche, dann Kantor an der Katharinenkirche war und später als Hauslehrer arbeitete, und dessen Ehefrau Anna Margaretha, geb. Adam. Verheiratet (seit 1805) mit der Gastwirtstochter Elisabethe Euphrosine Salome Matthes (seit 1820 in zweiter Ehe verh. Ochs, 1780-1849). Die Ehe blieb offenbar kinderlos und wurde vor 1820 geschieden.

Besuch des städtischen Gymnasiums. Zusammen mit anderen armen Schülern sang C. geistliche Lieder bei Begräbnissen und anderen Gelegenheiten, um sich das Geld für sein Studium zu verdienen; wegen seiner schönen Stimme und seiner Ordnungsliebe stieg er in dieser Sängergruppe zum Chorpräfekten auf. Dank seiner Ersparnisse und kleiner Stipendien konnte C. 1794 sein Studium, zunächst der Rechtswissenschaft, in Marburg beginnen. Später wechselte er zur Medizin und studierte insbesondere „Entbindungskunst“ bei dem seinerzeit berühmten Geburtshelfer Georg Wilhelm Stein (1737-1803). Nach der Promotion zum „Doktor der Arzneikunst, Chirurgie und Geburtshilfe“ mit einer Arbeit über die Eileiterschwangerschaft („De conceptione tubaria annexa observatione“) in Marburg 1802 kehrte C. nach Ffm. zurück, wo er im September desselben Jahres als praktischer Arzt zugelassen wurde und sich rasch eine bedeutende Praxis aufbaute. Er war ein ausgezeichneter und gesuchter Geburtshelfer, der über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt und von auswärtigen Kollegen um Rat gefragt wurde. Er soll fast 10.000 Geburten geleitet und deren Verlauf niedergeschrieben haben. Zur Ausbildung von Hebammen hielt er Vorträge und gab er praktische Kurse. Bereits seit 1825 an einem Rückenmarksleiden mit fortschreitender Lähmung erkrankt, war er schließlich auf den Rollstuhl angewiesen und konnte sein Haus nicht mehr verlassen. Bis zuletzt empfing er jedoch Patienten und andere Ärzte, um sie zu beraten.

Mitglied der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Korrespondierendes Mitglied der Königlich Bayerischen Medizinischen Fakultät in Würzburg.

Da er keine direkten Nachkommen hatte, trug sich C. bereits um 1822 mit dem Gedanken, sein Vermögen testamentarisch für wohltätige Zwecke zu stiften, wobei er ursprünglich die Dr. Senckenbergische Stiftung zum Erben einsetzen und zur Einrichtung eines Wöchnerinnenheims verpflichten wollte. In seinem Testament von 1835 dann vermachte C. der Stadt Ffm. seinen Immobilienbesitz (darunter sein Haus an der Hanauer Landstraße vor dem Allerheiligentor) und sein Vermögen in Höhe von rund 150.000 Gulden mit der Auflage, ein Hospital für arme und kranke Kinder zwischen vier und zwölf Jahren und, soweit möglich, eine dazugehörige Entbindungsanstalt für arme Bürgerfrauen zu errichten; bei der Aufnahme in beide Einrichtungen sollte die Religionszugehörigkeit keine Rolle spielen. Auch bestimmte C. testamentarisch die ersten Mitglieder der Stiftungsadministration. Als deren Leiter und ersten Hospitalarzt setzte er seinen befreundeten Kollegen Salomon Friedrich Stiebel ein, der ihn auch ärztlich betreute.

Mit der Grundsteinlegung am 14.8.1843 begann der Bau des Kinderhospitals auf den vom Stifter hinterlassenen sowie durch Schenkung und Ankauf vergrößerten Grundstücken zwischen Pfingstweide und Hanauer Landstraße im heutigen Ostend. Am 14.1.1845 wurde „Dr. C.’s Kinderhospital“ dort, in der nun nach C. benannten Theobaldstraße (seit 1934: Theobald-C.-Straße), eröffnet. Durch Zustiftungen von Henriette Charlotte Freifrau von Mühlen, geb. von Lersner (1770-1853), und Jacques Reiß konnte ab 1853 auch die bereits von C. gewünschte zugehörige Entbindungsanstalt eingerichtet und ausgebaut werden. Dank einer Schenkung von Evelyn von Neufville, geb. Mylius (1856-1936), unterhielt das Kinderhospital seit 1899 zudem eine „Zweiganstalt“ in der Forsthausstraße (seit 1919: Hans-Thoma-Straße) 18-20 in Sachsenhausen. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen sich die „Dr. C.’sche Stiftung“ und die Rothschild’sche Stiftung, die das von Louise von Rothschild 1865 gegründete Clementine-Kinderhospital betrieb, zusammen. Sie erbauten als Ersatz für ihre kriegszerstörten Häuser 1954 eine neue Klinik an der Stelle des alten Dr. C.’schen Kinderkrankenhauses im Ostend und vereinigten sich zum 1.1.1975 auch formal zur „Clementine Kinderhospital – Dr. C.’schen Stiftung“, die seitdem die Trägerschaft des Krankenhauses innehatte. Zum 1.1.2009 fusionierten das Clementine Kinderhospital und das Bürgerhospital unter einem gemeinsam gegründeten neuen Träger (zunächst Verein Ffter Stiftungskrankenhäuser e. V., seit 2014 Bürgerhospital und Clementine Kinderkrankenhaus gGmbH). Die „Clementine Kinderhospital – Dr. C.’sche Stiftung“ ist, zusammen mit der Dr. Senckenbergischen Stiftung, Gesellschafter des Trägers und besteht zum Zweck der Förderung des Clementine Kinderkrankenhauses und der Pädiatrie fort.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Sabine Hock.
Artikel in: Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 129f., verfasst von: Sabine Hock.

Lexika: Kallmorgen, S. 94-96, 237. | Müller/Schembs: Stiftungen 2006, S. 73, 197, 214. | Müller: Stiftungen 1958, S. 63, 168, 182, 212. | Neuer Nekr. 19 (1841), S. 753f., Nr. 228. | Richel, S. 88. | Schrotzenberger, S. 42. | Stricker, S. 156-160.
Literatur: FS Clementine Kinderhospital 1995, S. 22-25 (Otto Hövels).
Quellen: Eintrag der Heirat mit Elisabethe Euphrosine Salome Matthes, 22.8.1805 (unter Vermerk der Scheidung): ISG, Kirchen- bzw. Standesbücher: Heiratsbuch 22 (1804-08), S. 244. | ISG, S2/861.
Internet: Clementine Kinderhospital, 10.6.2020. | Clementine Kinderhospital – Dr. Christ’sche Stiftung, 10.6.2020. | Jüd. Pflegegeschichte, 10.6.2020. | Wikipedia, 5.6.2020.

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Empfohlene Zitierweise: Hock, Sabine: Christ, Theobald. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), http://frankfurter-personenlexikon.de/node/1939

Stand des Artikels: 10.6.2020
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 06.2020.